Es geht nicht nur um Körperbehinderte

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“Es geht nicht nur um Körperbehinderte”, sagt Ute Tatzel-Nowel. “Es geht auch um Rollatorfahrer, Mütter mit Kinderwagen, Menschen mit Gehhilfen, Blinde oder Gehörlose.” Um auf die Interessen dieser Menschen aufmerksam zu machen, hat sie nun eine Unterschriftenaktion gestartet.

Burladingen. Die 54-jährige aus Hausen ist in der Region längst so etwas wie eine Gallionsfigur für das Thema Barrierefreiheit geworden. Sie organisiert Vorträge, ist in Gremien aktiv und hilft Behörden dabei, Gebäude, Wanderwege, oder eben den ÖPNV zu verbessern. Von vielen Körperbehinderten und Senioren aus Burladingen und der Umgebung wurde sie deshalb angesprochen. Die meisten von ihnen finden, dass in der Fehlastadt, was Barrierefreiheit angeht, viele Wünsche offen bleiben.

“Es geht nicht nur um Körperbehinderte”!

Deshalb hat sie jetzt diese Unterschriftenaktion gestartet. “Bürgeranliegen für mehr Barrierefreiheit in Burladingen”, steht dick darüber und erklärt zunächst einmal was das heißt – Barrierefreiheit. Es geht um uneingeschränkte Nutzungschancen sämtlicher Lebensbereiche für alle Menschen und das, so Tatzel-Nowel, ist im Bürgerlichen Gesetzbuch sogar festgelegt.

“Im Sinne der bürgerlichen Gemeinschaft wünschen wir die Beachtung folgender Punkte seitens des Gemeinderates”, heißt es auf dem Schreiben weiter und dann wird aufgezählt: Optimierung öffentlicher Gebäude in Burladingen und den Teilorten, öffentliche WC, die den Standard der Barrierefreiheit erfüllen und mit dem genormten EU-Schlüssel zugänglich sind, Unterstützung für Restaurants und Läden, die ihre Gebäude entsprechend umbauen oder verändern wollen, die Zugänglichkeit zu den öffentlichen Gemeinderatssitzungen und dass die Stadt ein Bürgergremium ins Leben ruft, besetzt mit aktiven betroffenen Bürgern, die dann in die Planung mit einbezogen werden.

Die 54-jährige müsste sich in den Sitzungssaal hinauftragen lassen

Ute Tatzel-Nowel weiß, wovon sie spricht. “Ich würde auch gerne mal an einer Gemeinderatssitzung teilnehmen oder in die Bürgerfragestunde kommen. Aber ich komme da gar nicht hin.”

Tatsächlich hat das vordere Rathausgebäude weder einen Aufzug, noch Rampen oder Treppenlifte. Die 54-Jährige müsste sich also samt Rollstuhl hochtragen lassen. So viel Vorreiter muss dann auch nicht sein, winkt sie ab. Da gehe es ja auch um die Würde.

Auch ihren EU-WC-Schlüssel hat sie an der neu gebauten öffentlichen Toilette auf Burladingens neu angelegtem Marktplatz schon ausprobiert. Er passte nicht. Ob das daran liegt, dass das WC noch nicht fertig ist, oder gar nicht mit Euro-Schlüssel (siehe Info) für Behinderte geplant wurde, weiß sie nicht. Schriftliche Anfragen an das Bauamt der Stadt Burladingen sind verschickt.

Mittlerweile hat die Hausenerin schon über 160 Unterschriften zusammen und sie will noch ein paar Wochen weitersammeln. Dann will sie die Listen an den Gemeinderat und die Stadtverwaltung übergeben. Wo, darüber denkt sie noch nach. Denn der Sitzungssaal ist für sie noch unerreichbar. Wer sich der Unterschriftenaktion anschließen möchte, der kann sich unter der E-Mail-Adresse Barrierefreiontour@aol.com bei Ute Tatzel-Nowel melden.

Der Euroschlüssel ist ein 1986 vom CBF Darmstadt – Club Behinderter und ihrer Freunde in Darmstadt und Umgebung – eingeführtes, inzwischen europaweit einheitliches Schließsystem, das es körperlich beeinträchtigten Menschen ermöglicht, mit einem Einheitsschlüssel selbstständig und kostenlos Zugang zu behindertengerechten sanitären Anlagen und Einrichtungen zu erhalten, etwa an Autobahn- und Bahnhofstoiletten, aber auch für öffentliche Toiletten, zum Beispiel in Fußgängerzonen.

Quelle Bild und Text: Schwarzwälder Bote vom 04.02.2020

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